die zusammenarbeiter

Silvia Carpaneto Barbara Buser
Christian Schöningh Eric Honegger

ein „Darum“ von Andreas Hofer

Warum machen wir das?

Im Laufe dieses Projekts wurde uns endgültig klar, dass die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit nicht nur alle dazugehören, damit Nachhaltigkeit entsteht, sondern auch, dass das eine ohne das andere nicht mehr funktioniert, zumindest in dieser Kombination:

Es kann heutzutage nur noch sozial sein, was in einem umfassenden Sinn auch nachhaltig ist.

Die Geleitworte von Andreas Hofer, Architekt aus Zürich und Intendant der IBA Stuttgart, zur Gründung der TRNSFRM eG waren dafür eine gute Leitschnur: der Blick aufs Ganze.

ein „Darum“ von Andreas Hofer …

Die Stadt als unser Raum

Die Wohnungsfrage erlebt in den letzten Jahren in erfolgreichen und wachsenden Städten Nordeuropas eine neue Aktualität. Nachdem sie lange Zeit in einer Spaltung in mehr oder weniger sozialstaatlich administrierende Behörden und verschiedene Protest- und Bürgerinitiativen verhandelt wurde, zeigt sich neuerdings ein Urbanismus von Unten, der mit teils spektakulären Projekten die Gestaltung der städtischen Gemeinschaft in die Hand nimmt. Diese Bewegung ist daran, die Nische zu verlassen, und sie beeinflusst offizielle Planungsprozesse und traditionelle Wohnungsbaugesellschaften. Sie breitet sich über die innerstädtischen Quartiere in die Fläche aus und stellt die Frage nach urbaner Qualität in der Peripherie.

Obwohl die gebauten Beispiele noch nicht die Masse haben, dass sie den Wohnungsmarkt mit ihren Angeboten beeinflussen können, ist ihre Resonanz in der öffentlichen Wahrnehmung, der Fachpresse und bei Ausstellungen und Kongressen erheblich. Die Kalkbreite, die Projekte der Genossenschaften Kraftwerk1 und mehr als wohnen in Zürich, das Wohnprojekt des Vereins für nachhaltiges Leben in Wien und das Spreefeld in Berlin sind einige der viel beachteten und diskutierten Beispiele.

Ihre selbstbewusste Haltung macht uns klar, wie verblüffend fern die Kämpfe um das Verhältnis zwischen der Gesellschaft, dem Staat und der Rolle der Menschen in den sich industrialisierenden – und jetzt eben deindustrialisierenden – Gesellschaften der letzten hundertfünfzig Jahren den Ort des Geschehens – die Stadt – weitgehend ausklammerten. Ob Klassenkampf oder reformistische Sozialdemokratie, die Verfügungsgewalt über das Territorium gehörte zur Sphäre der besitzenden Macht, und der diese exekutierenden Behörden. Gefordert wurde Fürsorge, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, und dies produzierte komplizierte Sozialwohnungs- und Fördersysteme und führte grosse Teile der städtischen Bevölkerung in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen. Weil dieser Wohlfahrtsstaat in den Produktivitätskrisen der Deindustrialisierung nicht mehr finanzierbar war, folgten die Globalisierungs- und Liberalisierungswellen der 90er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts. Margaret Thatcher mag ideologisch an die Segnungen eines egoistischen «Jeder gegen Jeden» geglaubt haben, was sie hassenswert macht, viel wichtiger war, dass einem entkolonisierten, schwachen Reich die Mittel fehlten, um nicht mehr konkurrenzfähige Industrien dem sozialen Frieden zuliebe durchzufüttern.

Bald bauten Staaten auch ihre Sozialwohnungsprogramme ab und verlagerten immer grössere Teile ihrer Wertschöpfung in die spekulative Immobilienwirtschaft. Die Finanzkrise 2008 mit ihren zusammenbrechenden Immobilienmärkten in den USA, in Spanien und Irland folgte. Wobei diese Crashs den Trend nicht umkehrten, wie jeder weiss, der in einer boomenden Grossstadt eine zahlbare Wohnung sucht.

Der Drache hat also zwei Köpfe: immer grössere Teile unserer Städte sind in der Hand des globalisierten Finanzkapitals, und die staatlich geschützten Nischen schwinden. In dieser Situation kann es eine Strategie einer gemeinwohlorientierten Ökonomie sein, den Markt auszukaufen. Dies haben Genossenschaften und verantwortungsvolle Kommunen in den spekulativen Wellen des zwanzigsten Jahrhunderts gemacht, und genau dies könnte nun den selbstfinanzierten genossenschaftlichen Projekten in Zürich, Berlin und anderswo gelingen, wenn Protestbewegungen den Schritt vom «Besetzen» zum «Besitzen» wagen. Während Häuserkampf lange hiess, das kapitalistische System grundsätzlich zu verwerfen, lernten die Protagonisten der neuen Projekte, dass diese Radikalität den hohen Preis der sozialpolitischen Irrelevanz, der Unsensibilität gegenüber einer vielfältigen städtischen Gemeinschaft und der Unfähigkeit, die Zukunft zu gestalten, mit sich bringt. Da helfen keine dialektischen Verrenkungen: Wenn eine gut ausgebildete, junge, westeuropäische Mittelschicht ihren Häuserkampf ausficht, schwächelt sie an ähnlichen Legitimationsproblemen wie die etablierte Macht.

Der Abschied von parteipolitischen Programmen, dem Gezänk zwischen Klassen, die längst nur mehr ideologische Vereinfachungen sind, heisst also nicht Gleichgültigkeit und Denkfaulheit, sondern ein Lernen an der Stadt und ihrer Vielfalt. So wie die Planer einsehen mussten, dass ihre Strategien an der Stadt und ihren Kräften scheiterten, muss sozial engagierter Städtebau sich zuerst einmal vom Besserwissen befreien. Dann trifft sich soziale Verantwortung, Nachhaltigkeit und Partizipation.

Es sind also nicht architektonische Konzepte wie die Wohnung für das Existenzminimum oder der technologische Fortschritt (aktuell als Smart City gehyped), die uns weiterbringen, sondern wirtschaftlich solide und breit abgestützte Alternativen zu einer entfesselten und destruktiven Immobilienwirtschaft. Der Blick aufs Ganze klärt das Verhältnis zwischen individuellen Wünschen und gemeinsamen Zielen (etwas, das Baugruppenprojekte durch ihre Koppelung von Wohnwunsch und Immobilienprojekt kaum schaffen). Es sind – dies bleibt vorerst Hoffnung – neue Modelle einer selbstbewussten Gestaltung der dichten europäischen Stadt durch ihre Menschen, die eine klaffende Lücke der Demokratie füllen.

Andreas Hofer – Architekt, Zürich, heute Intendant IBA27 Stuttgart

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